„Ich habe Kunden erlebt, die unser Hinweisgebersystem innerhalb von zwei Tagen im Unternehmen implementiert haben.”
Nach langem Ringen um das Hinweisgeberschutzgesetz (auch als Whistleblower Gesetz bezeichnet), ging es auf einmal ganz schnell: zwischen dem 9. und 12. Mai ging das Gesetz innerhalb einer Woche durch Vermittlungsausschuss, Bundestag und Bundesrat. Jetzt ist es da – und für über 16.000 deutsche Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden ist es Zeit, zu handeln. Denn bereits ab dem 02. Juli 2023 müssen sie den neuen Vorgaben entsprechen.
Dr. Thomas Altenbach ist Compliance-Experte und CEO von LegalTegrity, ein SaaS Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, mithilfe ihrer Software kleinen und mittelständischen Unternehmen die Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes möglichst leicht zu machen. Sein umfangreiches Fachwissen verdankt er seiner langjährigen Tätigkeit als Anwalt im Topmanagement internationaler Konzerne sowie als Berater mittelständischer Unternehmen. Die Entwicklung des Hinweisgeberschutzgesetzes beobachtet er von Anfang an.
Herr Dr. Altenbach, was ging Ihnen durch den Kopf, als das Hinweisgeberschutzgesetz nach langem Hin und Her innerhalb einer Woche durch den Vermittlungsausschuss sowie den Bundestag und Bundesrat ging?
“Warum nicht früher?” war meine erste Reaktion und “Für das Ergebnis hätte man nicht so lange brauchen müssen” die zweite.
Sie sind also nicht zufrieden mit dem verabschiedeten Gesetz?
Im Sinne der Hinweisgebenden ist das Ergebnis nicht zufriedenstellend. Dadurch, dass sich viele Unternehmer beim Thema Compliance immer daran orientieren, was sie machen müssen, wurde in zwei wichtigen Punkten nur eine Minimallösung gefunden. Das bezieht sich einerseits auf die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, und andererseits auf den Wegfall der Pflicht zur Ermöglichung anonymer Meldungen.
Warum sind diese beiden Punkte für Sie entscheidend?
Es gibt für Unternehmen eine Reihe von Unregelmäßigkeiten, die nicht in den Bereich Ordnungswidrigkeit oder Straftat fallen, über die sie Bescheid wissen sollten. Dahingehend kann eine Hinweisgeberlösung als Frühwarnsystem dienen. Bezüglich der Anonymität kann ich aus Erfahrung sagen, dass die wirklich wichtigen Meldungen meist anonym abgegeben werden. Die Meldenden wissen oft nicht, welche Reaktion sie auf die Meldung wirklich erheblicher Missstände erhalten werden und geben solche Erstmeldungen daher anonym ab.
Viele Unternehmen werden jetzt ächzen: wie soll ich das auch noch schaffen? Was kommt auf die Unternehmen jetzt zu? Wo fängt man an?
Die Unternehmen sollten sich zunächst überlegen, wer sich dieser Aufgabe intern annehmen kann oder ob dafür ein externer Dienstleister in Frage kommt. Dann gilt es zu prüfen, welches digitale Hinweisgebersystem am besten passt. Wir sprechen heute über den Einsatz von KI-Technologien wie ChatGPT in allen Lebensbereichen, da sollte beim Hinweisgebersystem nicht an Brief oder Email festgehalten werden.
Wo hakt es nach Ihrer Erfahrung am meisten?
Um ganz ehrlich zu sein: es hakt meist daran, sich überhaupt mit dem Thema zu beschäftigen. Wenn man damit angefangen hat, ist meistens die größte Hürde schon überwunden. Das Feedback unserer Kundinnen und Kunden ist: der Zeitaufwand für das Aufsetzen des Systems sind ca. 5-6 Stunden, wenn man 1-2 Personen hat, die das Thema umsetzen. Natürlich gibt es dann noch Abstimmungen mit z.B. Datenschutzbeauftragtem, Betriebsrat, Personal und IT – das sind aber normale Unternehmensprozesse. Ich habe Kunden erlebt, die unser System innerhalb von zwei Tagen im Unternehmen implementiert haben.
Wo liegen die Chancen dieses Gesetzes?
Zum einen das Schaffen von Transparenz im Unternehmen, was in unserer neuen Arbeitswelt, wo an unterschiedlichen Orten zusammengearbeitet wird, eine große Rolle spielt. Zum anderen die Identifikation von Fehlentwicklungen: diese erkennen die Mitarbeitenden oft zuerst. Der dritte Punkt ist das Abwenden von Schäden durch Wirtschaftskriminalität. Das sehen wir nicht nur in Statistiken, sondern auch bei unseren Kundinnen und Kunden: wir haben schon häufig das Feedback bekommen, dass sich die Kosten von LegalTegrity innerhalb des ersten Jahres für die kommenden zehn Jahre amortisiert haben, weil man entscheidende Fehlentwicklungen rechtzeitig erkannt hat.